Pommes Frites und das Weltkulturerbe
Der von der UNESCO vergebene Status als Weltkulturerbe ist eine wichtige Einrichtung, die der Erhaltung alter Kultur- oder Naturstätten für kommende Generationen dienen soll. In Wien hat man damit im Streit um den sogenannten Canalettoblick ein wenig gemischte Erfahrungen, seit die Frage auftauchte, ob der Herr Canaletto, der in Wirklichkeit Bernardo Bellotto hieß, die Stadt nach der Errichtung eines weiteren Hochhauses noch so sehen würde wie seinerzeit im 18. Jahrhundert. Ich denke, er würde sich ohnehin nicht auskennen, wo er denn da wäre, blickte er heute vom Oberen Belvedere auf die Stadt.
Ich will Sie aber heute nicht mit dieser Frage quälen, sondern auf eine Reise ins schöne Belgien entführen. Woran denken Sie, wenn Sie »Belgien« hören? Sagen Sie jetzt bitte nicht »Brüssel und EU«! Dieses Synonym ist sowieso Humbug. Ich meinte die Frage mehr kulinarisch. Aha! Jetzt haben wir’s: belgische Schokolade – Ja, sehr schmackhaft – belgisches Bier, Ja, aber meist zu stark und dazu manchmal mit allem möglichen Zeug aromatisiert (nicht mein Geschmack) – und … und … Ja, richtig: Pommes Frites.
Pommes Frites, jene in Stifte geschnittenen Erdäpfel (Kartoffel für meine FederLeserinnen und -Leser, die jenseits des Inn sprachlich domestiziert wurden), die danach oft in Öl minderer Qualität frittiert werden, sind mittlerweile eine weltweit beliebte Beilage. Man könnte meinen, dass es die Amerikaner waren, die sie erfunden haben, weil sie zu ihren Fleischlaberln ebenso gehören wie das Ketchup. Oder in England, wo sie originärer Bestandteil von Fish&Chips sind. Oder gar in Deutschland, wo die »Fritten«, wie böse Zungen behaupten, den Gipfel der Kulinarik bilden.
Nein, die Erfinder der Pommes Frites waren die Belgier. Wer je im Land der Flamen und Wallonen war, wird festgestellt haben, dass sie dort zu nahezu jeder Speise als Beilage serviert werden und dass beinahe an jeder zweiten Ecke ein Stand steht, an dem sie verkauft werden; ähnlich unserer Würstelstandeln. Diese Pommes Frites Buden haben sich in Belgien zu einer Organisation zusammengeschlossen – zweisprachig, wie es sich dort gehört. »Navefri – Unafri« nennt sich die Organisation. Navefri steht für flämisch »Nationale Vereinigung van Frituristen« und Unafri französisch für »L’Union Nationale des Frituristes«.
Und die Damen und Herren dort sind beileibe nicht untätig. Jedes Jahr in der »Woche der Fritte« (meist Ende November) wird der »Nationale Orden der Goldenen Frittentüte«, also so eine Art goldenes Stanitzel für besondere Verdienste um das Pommesfriteswesen von Navefri–Unafri vergeben. Die Auszeichnung gibt es in den Kategorien Silbernes Kreuz, Ritter, Offizier und Großoffizier. »Großoffizier vom goldenen Stanitzel«, so ein Orden wär‘ doch was? Dagegen könnten sämtliche Ehrenkreuze, Hosenbandorden und was es sonst noch alles an bombastischen Brustgehängen gibt einpacken.
Den Orden tragen, so berichtet die Website der Organisation, insgesamt 132 Personen und auch Institutionen. Neben zahlreichen Budenbesitzern, darf sich beispielsweise auch das Manneken Pis, gemeinsam mit Hercule Poirot wahrscheinlich der berühmteste Belgier, mit diesem Orden schmücken. Er dürfte aber nicht ständig an seiner Brust hängen. Orden trägt man schließlich auch nur am Opernball oder zu ähnlichen Anlässen, zu denen Manneken Pis, wahrscheinlich wegen fehlender Bekleidung, nie eingeladen wird.
Das mit dem Orden allein, ist dem Verein Navefri-Unafri aber längst noch nicht genug. Nachdem schon das belgische Bier zum Weltkulturerbe zählt, sollen nunmehr auch die Frittenbuden in diese illustre Runde aufgenommen werden und so wurde ein diesbezüglicher Antrag an die UNESCO gestellt. Weshalb die dann aber zum »immateriellen Kulturerbe« zählen würden bleibt unklar, denn was kann es denn materielleres geben als Pommes Frites und die dazugehörigen Buden?
2021 03 22/Fritz Herzog