Die Himmelstür
Mit der Himmelstür (oder ist es doch eher ein Tor?) ist das so eine eigene Sache. Jede und jeder hat eine bestimmte Vorstellung davon, kein Mensch war je dort und wenn, dann so spät, dass er oder sie keine Gelegenheit mehr hatten es uns wissen zu lassen wie dieses Türl denn aussieht. Ehrlich gesagt, neugierig wäre ich schon, habe aber andererseits keinen allzu großen Bock es in nächster Zeit kennenlernen zu wollen. Wahrscheinlich geht es Ihnen, meine geschätzten FederLeserinnen und -Leser ähnlich.
Ist es wirklich so eine Pforte dort oben im Wolkennebel und davor steht der Heilige Petrus mit Rauschebart und riesigem Schlüssel wie weiland der Zerberus vor dem Hades und passt auf wie ein Haftelmacher, dass ja kein Falscher die Schwelle übertritt? Ich kenn mich in so himmlischen Angelegenheiten nicht aus, bin aber einigermaßen sicher, dass es dort, wenn überhaupt, genauso nicht aussieht.
Immer wenn der Satz »Nix Genaues weiß man nicht« gilt setzt sich die Kunst auf derartige Dinge wie diese Himmelstür und interpretiert sie auf ihre Art und Weise. Die Malerei sowieso, aber auch Schreiberlinge haben sich an der Metapher von besagter Tür schon abgearbeitet. Die große Else Lasker-Schüler beispielsweise in ihrem traurigen, die Gräuel der NS-Zeit verarbeitendem Gedicht »Das blaue Klavier«, um nur ein Beispiel zu nennen.
Als jemand, der seine Jugend in den 60ern und 70ern des vergangenen Jahrhunderts hinter sich gelassen hat, hat Ihr FederLesen-Autor jedoch auch andere Assoziationen. Bob Dylan zum Beispiel, wenn er mit seiner nasal-markanten Stimme »Knocking On Heavens Door« singt.
Oder, nicht ganz am Himmelstor, aber über die Stufen davor sangen Led Zeppelin in ihrer Edelschnulze »Stairway To Heaven«. Wer sich über die Interpretation dieses Songs nicht schon aller den Kopf zerbrochen hat? – fast unglaublich! Wer ist diese Frau, die sich die Treppe zum Himmel kauft? Ist etwas Okkultes dahinter verborgen? Gar die Heilige Jungfrau Maria persönlich, weil auch die »Maien-Königin« im Text vorkommt? Oder geht’s schlicht und einfach nur um eine reiche Frau, die meint alles, eben auch die Himmelsstiege, kaufen zu können?
Nette Songs aus der Jugendzeit, aber auch nicht mehr. Falls Sie jedoch neugierig geworden sind, wie es dort oben aussieht ohne deswegen jetzt unmittelbar einen Abgang in die Ewigkeit in Kauf zu nehmen (wer will das schon?) gibt es eine Möglichkeit das Tor – quasi durchs Hintertürl – doch im Diesseits kennenzulernen. Den Spaß gibt’s zum Schnäppchenpreis von siebenhundert Euro. Gut, die Anreise nach Nigeria, wo sich dieses Tor befinden soll, ist in diesem Preis ausdrücklich nicht inbegriffen.
In Nigeria bietet der selbsternannte Religionsgründer mit dem schönen biblischen Namen »Pastor Noah Abraham« zum genannten Preis eine Reise zur Himmelstür an. Er ist, das muss man ihm zugutehalten so fair, dass es sich dabei nicht um den Haupteingang, sondern nur um einen Nebeneingang, das genannte Hintertürl handelt. Aber: immerhin! Den Haupteingang hat er (noch?) nicht im Angebot. Vielleicht kommt das noch, wer weiß?
Bedauerlicherweise ist dem frommen Mann kürzlich etwas sehr Irdisches dazwischengekommen, was ihn an weiteren Touren zu dem Tor jedoch hindern könnte: Er wurde deswegen, man glaubt es nicht, wegen gewerbsmäßigen Betrugs angezeigt. Da hat doch Einer so ein großartiges Ziel in seinem religiös-touristischen Wallfahrtsangebot und dann verderben ihm das ein paar Neider. Undank ist in der Tat der Welten Lohn! Hoffentlich erfährt der gute Mann wenigstens irgendwann himmlische Gerechtigkeit, wenn er dereinst selbst vorm Haupteingang stehen wird.
2022 05 25/Fritz Herzog