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FederLesen

Gerbrand Bakker: »Oben ist es still«

In Zeiten wo uns Pandemie, Krieg, Inflation und anderer Unbill das Leben erschwert, ist es gut ein Buch zu lesen, das ruhig und ohne »Action« gemächlich dahinplätschert. Ein Buch in dem (fast) nichts »passiert«? Ja, genau so einem widme ich meine heutige Leseempfehlung: »Oben ist es still« des holländischen, mir bis dato nicht bekannten, Autors Gerbrand Bakker.

Helmer van Wonderen lebt einsam mit seinem alten, teilweise dementen Vater auf einem Bauernhof am Ijsselmmeer nördlich von Amsterdam. Milchkühe, Schafe, Hühner und zwei Esel hat er dort zu betreuen. Die Mutter ist verstorben und Helmers Zwillingsbruder Henk kam vor dreißig Jahren bei einem Autounfall ums Leben, den Henks Freundin Riet verursacht hatte.

Helmer will aufräumen, malt das Haus neu aus, gestaltet die Zimmer neu und verfrachtet seinen alten Vater kurzerhand in den ersten Stock, nach »oben«. Er hat keine Freunde, einzig der Viehhändler, der Fahrer der die Milch holt und die zwei Söhne der Nachbarn besuchen ihn. Mit Ada, der Nachbarin, pflegt er eine sonderbare Beziehung per Fernglas. Sein einziges Hobby besteht in seiner Sehnsucht nach Dänemark. Mittels einer Landkarte, die er in sein Schlafzimmer hängt, lernt er die Namen dänischer Dörfer. Wieso, bleibt unklar; ein Hobby eben.

Riet, die nach dem Unfall vom Vater aus dem Haus geworfen wurde, ist nach Brabant gezogen und meldet sich nach dreißig Jahren wieder bei Helmer. Sie will ihren neunzehnjährigen Sohn, den sie dort mit ihrem neuen Mann hatte und der, wie sie meint, nur faul herumhängt, zu Helmer auf den Hof schicken, damit er Arbeit hätte. Bemerkenswert ist, dass sie diesen Sohn Henk benannt hatte, nach ihrem verstorbenen ehemaligen Bräutigam.

Der Roman läuft entlang der Vater-Sohn-Geschichte, dem jungen Henk und dem nie vergessenen Bruder Henk. Helmer verachtet seinen Vater, der immer seinen Zwillingsbruder bevorzugt hatte und lässt dem alten pflegebedürftigen Mann das auch spüren. Und gleichzeitig entwickelt der junge Henk eine besondere Beziehung zu dem alten Mann. Achja, ehe ich es vergesse, auch eine Nebelkrähe, die immer in der Esche vor dem Haus sitzt, spielt eine Rolle in diesem Roman der Langsamkeit.

Der Roman ist für mich geprägt von einer einfühlsamen, klaren Sprache. Liebevoll wird die schwierige Beziehung zwischen Vater und Sohn beschrieben, denen immer der vor langer Zeit verunglückte Bruder dazwischenfährt. Berührend auch die Geduld, die Helmer gegenüber dem jungen Henk aufbringt, der ihn doch immer wieder mit seiner Trägheit Probleme macht. Das Buch strahlt für mich auch die Ruhe der Weiten Nordhollands mit ihren unendlichen Kuhweiden aus. Und ein wenig macht es auch Gusto diese Landschaft der Grachten und Windmühlen wieder einmal zu besuchen.

Wie gesagt, wer »Action« oder »Sex&Crime« lesen möchte, ist bei diesem Buch falsch. Wenn Sie, meine geschätzten FederLeserinnen und -Leser jedoch Ruhe, Stille und Entspannung suchen, dann sind Sie bei Gerbrand Bakkers »Oben ist es still« genau richtig.

2022 10 06/Fritz Herzog