Bärig, »echt fett«
Der Winter naht und ehe die Vanillekipferlsaison über uns hereinbricht gilt es vorher noch den Martiniganseln, die sich heute noch fröhlich schnatternd auf saftigen Wiesen herumtreiben, in wenigen Tagen oder Wochen den Garaus zu machen und sie ihrer kulinarischen Bestimmung zuzuführen. All das geschieht vor dem Hintergrund bevorstehender Neujahrsvorsätze im kommenden Jahr ernährungsmäßg kürzer zu treten, ein paar Kilo abzuspecken und überhaupt gesünder zu leben.
Nun, ja, wie die Realität aussieht brauche ich meinen erfahrenen FederLeserinnen und -Lesern an dieser Stelle nicht extra erörtern. In Abwandlung eines bekannten Satzes unseres Herrn Bundespräsidenten kann ich da nur sagen: »so sind wir eben«.
Die Tierwelt hat da ganz andere Prioritäten. Deshalb möchte ich Sie heute ins ferne Alaska entführen, dort wo die Winter kalt und lang und finster sind. Um diese harte Winterzeit heil zu überstehen, müssen die Tiere vorher ordentlich Speck ansetzen. So kamen – lange bevor wir Räucher- und Graved-Lachs als Delikatesse für uns entdeckten – die Braunbären Alaskas dahinter, dass Lachse nicht nur vorzüglich schmecken und sich hervorragend zum Fettaufbau eignen. Und in ausreichender Menge sind sie in den Flüssen auch vorhanden. Immerhin verzwickt so ein Bär bis zu 45 kg Lachs am Tag – unsereinem reichen schon ein paar Deka, und das wahrlich nicht täglich!

Es wären jedoch nicht die Menschen, die nicht auch daraus einen Wettkampf machen würden. So erfanden die Alasker den »fat bear contest«. Jahr für Jahr wird vor Beginn des Winters der fetteste Bär gekürt. »Gekürt« ist insofern der richtige Ausdruck, da es sich dabei um eine Wahl handelt; abwiegen lassen sich bekanntlich wild lebende Bären nicht. Insofern ist es eine Kür, bei der anhand von Vorher-Nachher-Fotos abgestimmt wird.
Zugute kommt der Wahl, dass die zwölf Bären im Katmai Nationalpark registriert sind und jeder eine Nummer trägt, was den Wahlvorgang erleichtert. Star des Nationalparks ist der mindestens achtzehnjährige Bär Nr. 747, genannt »Jumbo-Jet«, der laut Schätzung der Ranger 630 kg auf die Waage brächte. Seine größte Konkurrentin ist »Holly« mit der Nr. 435. Jumbo-Jet war der Sieger 2020 und Holly die Siegerin 2021.
Doch heuer, so berichtet der britische »Guardian«, kam es zum Skandal. Wieder waren Jumbo-Jet und Holly im Finale, als plötzlich neuntausend zusätzliche Stimmen für Holly abgegeben wurden. Die Wahlurne sei voll gewesen mit Stimmen wie das Maul der Bären mit Lachsen, schrieb die Nationalparkverwaltung blumig auf Twitter. (Einen Vergleich mit dem amerikanischen Wahlsystem verkneife ich mir an dieser Stelle). Jedenfalls wurde die arme Holly trotz persönlicher Unschuld disqualifiziert – es wird ihr eh Wurscht gewesen sein. Schließlich setzte sich doch Jumbo-Jet Nr.747 im neuerlichen Finale gegen die viereinhalbjährige Nr. 901 durch, die jedoch aufgrund ihres Alters als echte Nachwuchshoffnung für die kommenden Wettbewerbe angesehen werden muss.
Zurück ins Land der Martiniganseln, Schweinsbrateln und Schnitzeln mit Mayonnaise Salat. Vielleicht könnte man auch so einen Vergleich mit Vorher-Nachher-Fotos anregen. Also, beispielsweise den Fotos vom Strandurlaub im Sommer 2022 jene vom Jänner 2023 gegenüberzustellen. Es muss ja nicht gleich ein öffentlicher Wettbewerb sein, bei dem ohnehin – siehe Alaska – nur geschummelt würde.
2022 10 12/Fritz Herzog