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FederLesen

Lustig

Sich über lustige Namen von Leuten lustig zu machen ist überhaupt nicht lustig. Heißt jedoch jemand Lustig, genauer: Victor Lustig, und macht, zumindest aus heutiger Sicht, lustige Sachen, auch wenn es sich dabei um eine Gaunerei, ein Verbrechen gehandelt hat, so darf ich ihm trotzdem oder gerade deswegen heute auf FederLesen eine Geschichte widmen.

Victor Lustig stammte aus Böhmen, war gebildet, sprach fünf Sprachen, verdiente sich aber schon in jungen Jahren durch allerlei Trickbetrügereien sein Geld. Kleinere Gefängnisaufenthalte hinderten ihn nicht daran, sein Gewerbe auszubauen und weiter zu entwickeln. Irgendwann um 1920 herum ging er nach Paris um an der Sorbonne zu studieren.

Für die Weltausstellung im Jahr 1889 ließ die Stadt Paris von Gustave Eiffel den nach ihm benannten Turm errichten. Die Pariser fanden den Turm von Beginn an schlicht und einfach grottenhäßlich. So war anfangs auch geplant das Ungetüm nach der Weltausstellung wieder abzureißen und zu verschrotten. Wie die Dinge halt so laufen, kam es nicht dazu: erst fehlte das Geld und dann kam der Krieg. Mitte der 20er Jahre, war das Geld knapp und die Erhaltungskosten des vor sich hin rostenden Ungetüms belasteten das Budget der Stadt ungemein. Die Diskussionen um den Abbruch nahmen kein Ende.

Jetzt kommt Victor Lustig ins Spiel. Er organisierte sich Briefpapier der Stadt, gab sich als offizieller Sekretär der Stadtverwaltung aus und machte eine Ausschreibung unter französischen Altmetallhändlern für den Abbruch. Die Aussicht auf zehntausend Tonnen wertvollen Stahls lockten da schon einige Schrotthändler hinter dem Ofen hervor.

Bei Champagner in einem noblen Pariser Hotel und einer Führung durch den Turm versuchte er auszuloten, wer von den Händlern am ehesten für das Geschäft in Frage käme. Lustig war, wie es scheint, nicht nur ein gewiefter Gauner, sondern auch ein guter Menschenkenner. Einer der Händler, ein gewisser André Poisson, war ein Emporkömmling mit besonderem Geltungsdrang. Der schien Lustig am ehesten geeignet auf den miesen Trick hereinzufallen, was dieser dann auch tat. Nach einer Anzahlung für das Geschäft von einer Million Francs verschwand der gute Victor Lustig, zunächst nach Wien und später in die USA.

Dort setzte Lustig seine – nun, wie soll ich sagen, Geschäfte? – fort. Für seinen Pariser Trick wurde er hingegen nie belangt; Monsieur Poisson hatte aus Scham keine Anzeige erstattet. Trotzdem fand der Gauner später seine Gerechtigkeit. Wegen Geldfälschung wurde er in den USA verurteilt und starb 1947 im berüchtigten Gefängnis Alcatraz. Der Gefängnisbeamte, der seinen Totenschein ausfüllte schrieb angeblich in der Rubrik Beruf: »Apprentice Salesman & Counterfeiter« – »Verkäuferlehrling & Fälscher«. Wobei, »Lehrling« war Victor Lustig sicher längst keiner mehr in seinem zweifelhaften Geschäft.

Und: Gottseidank steht der Eiffelturm heute noch!

2021 04 07/Fritz Herzog