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FederLesen

»Auffe«, »umme«, »åwe« …

Einige meiner geschätzten FederLeserinnen und -Leser werden es wissen, manche vielleicht nicht, der FederLesen-Autor hat mit seiner Liebsten die Bundeshauptstadt verlassen und seine neue Bleibe endgültig im Weinviertel, genauer gesagt im wunderschönen Weinort Falkenstein, aufgeschlagen. Die Ursache liegt nicht darin, dass ich Wien nicht mag – nichts läge mir ferner – die Gründe sind mehr praktischer Natur.

Und selbstverständlich werde ich mich weiterhin regelmäßig auf die Socken machen und via A5 oder mit der Schnellbahn Richtung Wien und auch wieder retour düsen; weil so ganz ohne »Wean« wird’s net gehen. Hochdeutsch korrekt sagt man zu einem Ortswechsel »nach XYZ fahren«. Mit dem Hochdeutsch ist das so eine Sache. Einerseits sollte man doch, korrekterweise und so … und andererseits schränkt die Hochsprache auch wieder ziemlich ein.

Gerade die Ortswechsel bieten im Dialekt doch eine ganze Fülle von Spezifikationen, die weit mehr und Genaueres beschreiben, als das simple »nach«. »Auffe«, »åwe«, »umme«, »eine«, »ausse«, »driwa«. Alles verstanden? Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und die Schreibweise von Dialektausdrücken ist sowieso Geschmacksache (Der Dialekt-Klassiker »Med ana schwoazzn Dintn« von H.C.Artmann ist teilweise selbst für eingefleischte Wiener nicht immer leicht zu lesen und seine Schreibweise gewöhnungsbedürftig).

Fährt Ihr FederLesen-Autor, so er künftig nach Wien will, »eine« oder »åwe«? Fährt er zurück ins Weinviertel, fährt er wohl »ausse«. Aber ist das nicht eine Frage des Standortes von dem aus gesprochen wird? Gar nicht so einfach richtigen Dialekt zu sprechen. Wie heißt es doch so schön: Der Standort bestimmt den Standpunkt. Ich will mich da aber weder auf Hegels Standpunkttheorie einlassen noch zu Schrödingers Katze versteigen und versuchen es ganz simpel zu erklären.

Fährt man beispielsweise von Wien ins Waldviertel, so fährt man »auffe ins Woidvierdl«, fahre ich hingegen von Falkenstein dorthin, so fahre ich wohl »umme ins Woidvierdl«. Reise ich nach Italien, so fahre ich – wurscht von wo in Österreich – eindeutig »åwe noch Italien«. Jetzt könnte man meinen, Italien liege am Meer, also eindeutig tiefer als jeder Punkt daheim und deshalb hieße es »åwe«, also »hinunter«.

Das stimmt leider nicht. Führe ich an die Ostsee, also eindeutig auch ans Meer, so würde ich doch sagen »auffe«, also »hinauf«. Aha, werden Sie sagen, es geht nicht um die Höhenmeter, sondern darum ob ein Ort auf der Landkarte oben, also im Norden oder unten, also im Süden liegt. Stimmt! Allerdings nur bezüglich Norden und Süden. Mit Osten und Westen verhält es sich wieder anders.

Nach Osten, beispielsweise nach Ungarn, fährt man wahrscheinlich »umme«, also hinüber; ob mit dem »hinüber« allerdings die Himmelsrichtung oder der nach wie vor in unseren Köpfen verankerte Eiserne Vorhang gemeint ist, den man zu überqueren hat (»umme«), darüber ließe sich diskutieren. Schwieriger wird es Richtung Westen, nach Deutschland oder der Schweiz: »umme«?, »auffe«?. Ich weiß es nicht und wahrscheinlich macht es einen Unterschied ob München, Hamburg oder Berlin das Ziel ist. England hingegen, auch im Westen, ist wiederum klar: dorthin fährt man »umme« was sich wegen der Überquerung des Meeres mit »hinüber« korrekt beschreiben lässt.

Sage da noch Einer »Deutsche Sprache, schwere Sprache«, der Dialekt, zumal der Wiener oder allgemein der Österreichische ist noch um ein Vielfaches schwieriger. Deshalb ein kleiner Appell meinerseits: erhalten wir uns diesen Dialekt, er bietet so eine Fülle von sprachlichen Nuancen, die eine standardisierte Hochsprache von der Luther-Bibel über die Brüder Grimm bis zum Duden niemals wird erreichen können.

2023 03 31/Fritz Herzog