FederLesen

Cornflakes und die Libido

Bevor irgendwelche Missverständnisse auftauchen, ausgelöst durch eine Fehlinterpretation der Überschrift des heutigen Beitrags, halte ich fest, dass Cornflakes nicht zu den Frühstücksgewohnheiten Ihres FederLesers gehören. Im Gegenteil: Es ist weit außerhalb meines Erinnerungsvermögens, wann ich zuletzt Cornflakes zu mir genommen hätte; vermutlich im Kindesalter.

John Harvey Kellogg (1852-1943) war ein amerikanischer Arzt aus Michigan und frommer Angehöriger der Kirche der Sieben-Tage-Adventisten. Arzt ist vielleicht ein wenig übertrieben, er hatte zwar studiert und konnte sich Arzt nennen, war aber, wie man heute sagen würde, eher ein Alternativmediziner, wobei ihm auch diese Bezeichnung nicht ganz gerecht wird. Als solcher führte er ein eigenes Sanatorium, welches sogar so prominente Personen, wie Henry Ford, Thomas Edison oder die berühmte Pilotin Amelia Earhart zu seinen Klienten zählte.

Seine These war, dass alle Krankheiten ausschließlich von schlechtem Lebenswandel kämen. Dazu zählte für ihn neben Alkohol und Nikotin ganz besonders eine ausgelebte Sexualität. Dass der gute Dr.Kellogg Vegetarier war, versteht sich da fast von selbst. Er war zwar verheiratet, hatte aber eigenen Angaben zufolge die Ehe nie vollzogen und lebte angeblich sein ganzes Leben enthaltsam. Zum Ausgleich (naja: Ausgleich?) hatte er vierzig Kinder bei sich aufgenommen und sieben davon auch adoptiert.

Dr.Kellogg rühmte sich in seinem Sanatorium ganz besonderer Heilungserfolge, wobei böse Zungen behaupteten, er hätte keine wirklich schwer kranken Personen aufgenommen. Und wenn jemand partout nicht gesund wurde, unterstelle er dem- oder derjenigen heimliche Masturbation. Dafür hatte er scheints überhaupt ein Faible, denn in seinem 664 Seiten Werk »Plain Facts for Old and Young« widmete er allein 97 Seiten diesem Thema (fragen Sie mich bitte nicht, was man darüber 97 Seite lang schreiben kann).

Auf der Suche nach einer Speise für sich und seine Patienten, die einerseits ausreichend sättigt und den Magen füllt und andererseits auch unterhalb des Magens eine die sexuelle Lust mindernde Wirkung hat, verfiel er darauf Weizenflocken zu trocknen und diese zum Frühstück zu servieren. Gemeinsam mit seinem Bruder Will Kellogg entwickelten sie so die ersten Cornflakes. Später wurde der Weizen durch Mais ersetzt und als Will Kellogg, den man heute als Marketinggenie bezeichnen würde, den Cornflakes Zucker zusetzte, wurden die Flocken tatsächlich zu einem Verkaufserfolg. Es führte jedoch dazu, dass sich die Brüder zerstritten. Zucker war dem verkorksten Dr. Kellogg zu verwerflich – wer weiß, horribile dictu, welche Lüste die Süße in seinen Augen womöglich hätte hervorrufen können.

Unbekümmert davon setzte Dr. Kellogg weiterhin seinen Patienten die ungezuckerten Cornflakes vor und aß sie auch selbst zum Frühstück. Da er auch viele Leiden einer Verstopfung zuschrieb, ließ er sich jeden Tag nach dem Frühstück einen Einlauf verabreichen. Naja, jeder hat eben so seine Gustos! Auch hier unterstellten ihm wiederum böse Zungen eine sogenannte Klismaphilie, also den sexuellen Lustgewinn durch die Verabreichung eines Klistiers. Wir sehen, der arme Mann hatte wirklich jede Menge Neider.

Als das Sanatorium in der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre überschuldet zusperren musste, hatten die (süßen) Cornflakes seines Bruders längst den Siegeszug um die Welt angetreten. Und wenn Sie, geschätzte FederLeserinnen und -Leser zum Frühstück Cornflakes essen, hoffe ich für Sie, dass es die gezuckerten des Will und nicht die ungezuckerten des John Harvey Kellogg sind und dass Sie Ihren Tag immer ohne Klistier beginnen können. Und in Ihr Sexualleben mische ich mich ohnehin nicht ein.

Sollte der heutige Beitrag des FederLesers für Sie etwas zu abgründig gewesen sein, so gelobe ich an dieser Stelle Besserung und empfehle Ihnen dafür, gönnen sie sich ein ordentliches Frühstück mit weichem Ei und Schinken oder Speck, einem kräftigen Butter- oder Marmeladebrot und dazu ein ordentliches Häferl Kaffee.

2021 03 07/Fritz Herzog

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