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FederLesen

Nostradamus und die Zukunft

Der abwechselnd Mark Twain, Karl Valentin, Niels Bohr und Winston Churchill zugeschriebene Satz »Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen« ist, wurscht wer ihn tatsächlich geprägt hat, nicht zu widerlegen. Trotzdem wir diesem Satz in seiner scheinbaren Banalität zustimmen, versuchen wir immer wieder auf alle mögliche oder vielmehr unmögliche Art und Weise in die Zukunft zu blicken. Vom Kaffeesud bis zu den Planeten und von den Handlinien bis zu Kristallkugeln sind die gewählten Methoden nie zu weit hergeholt um Zukünftiges in die Gegenwart zu holen.

Besondere Blüten sprießen da anlässlich von Jahreswechseln, wie dem eben erst hinter uns gebrachten. Einer der zu Jahreswechseln aus den tiefsten Kisten der Berufs-Prognostizierer regelmäßig hervorgekramt wird, ist der französische Apotheker Michel de Nostredame, besser bekannt als Nostradamus. Die Heirat mit einer vermögenden Frau ermöglichte es ihm im 16. Jahrhundert die Pharmazie an den Nagel zu hängen und sich allen möglichen und unmöglichen Prophezeiungen zu widmen, was sich nicht nur für ihn als ein hervorragendes Geschäftsmodell erwiesen hat.

Auf der Suche danach, was Ihrem FederLesen-Autor und dem Rest des Universums im heurigen Jahr so blühen wird, stoße ich auf einen Artikel in »Die Welt« mit der vielversprechenden Überschrift »Laut Nostradamus wird 2022 kein besonders gutes Jahr«. Nun, in der Meteorologie heißt es, wenn man das morgige Wetter ident mit dem heutigen prognostiziert, liegt man in über 50% der Fälle richtig. Jetzt könnte man daraus schließen, dass, wenn das Jahr 2021 pandemiebedingt wahrhaft kein Höhepunkt der Freuden war, dass das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf 2022 zutreffen wird.

Interessant ist auch, dass Nostradamus nie eine Jahreszahl genannt hat, wann seine Prophezeiungen eintreten werden, dass aber die diversen Nostradamologen anscheinend immer genau wissen wann was von seinen in den »Les Prophéties« niedergeschriebenen Vorhersagen eintreten wird. Für 2022 berufen sie sich beispielsweise auf folgenden Text: »So hoch der Weizenpreis. Dieser Mann ist gerührt. Seine Mitmenschen essen in seiner Verzweiflung«. Leider muss ich Sie, meine geschätzten FederLeserinnen und Leser, mit diesem Satz ebenso verwirrt zurücklassen wie ich es selbst bin. Er kannte im Jahr 1555 den Begriff Benzinpreis nicht und ist deshalb auf den Weizen ausgewichen? Aber das ist auch nur eine nostradamologisch höchst laienhafte Vermutung von mir. Und warum ausgerechnet 2022? Nochmals: Ich hab‘ keine Ahnung!

Vielleicht prognostizierte er aber mit folgendem Text den Klimawandel?: »Wie die Sonne wird der Kopf das leuchtende Meer versiegeln. Die lebenden Fische des Schwarzen Meeres werden fast kochen». Vielleicht, wie gesagt! Schlimm klingt es jedenfalls und wahrscheinlich sollten wir ihn doch gelegentlich ernst nehmen.

Die Prognose, dass 2022 irgendeine berühmte Persönlichkeit sterben wird, scheint mir dagegen fast schon erheiternd, denn, No-Na, das kann man für jedes Jahr vorhersagen, denn irgendwer stirbt immer in diesem Lauf der Welt. Traurig, aber es ist nun mal so, dazu bedarf es keiner Propheten, das hätte ich mit geringerem Aufwand auch vorhersagen können.

Das Geschäft mit Prophezeiungen blüht allemal. Sollte FederLesen auch auf Prophet umsatteln? Allerdings, was hilft es mir heute, wenn sich in fünfhundert Jahren irgendwelche FederLesologen mit meinen abgesonderten Weisheiten herumschlagen und die Menschheit damit verunsichern? Nix! Die Zukunft bleibt auch in Zukunft zukünftig – lassen wir uns doch schlicht und einfach vom Zukünftigen auch zukünftig überraschen.

2022 01 09/Fritz Herzog