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FederLesen

Auf und weg (Teil 1)

In grauslichen Zeiten wie diesen kann schon einmal der Wunsch auftauchen, dass der eine oder andere mächtige Mann der Welt von der Bildfläche verschwinden möge. Ob der Abgang dann auf Französisch, wie ein altbekanntes Sprichwort sagt, oder in einer anderen Sprache erfolgt, wäre uns dann mit Sicherheit egal. Hauptsache weg ist er.

Die Tatsache, dass nix Besseres nachkommt, bringt nach kurzfristigem erfreutem Durchatmen dann meistens doch die Ernüchterung des Erwachens aus unserer Träumerei. Die Dinge funktionieren so nicht. Entweder bleibt alles beim Alten oder es stellt sich heraus, dass das Neue auch wiederum nur das Alte oder sogar noch älter ist.

An dieser Stelle muss ich thematisch den Übergang schaffen um möglichst weit weg von Hierzulande zu sein. Ich hab‘s! Australien! Dieses Land ist so weit von uns weg, dass es uns kaum bis gar nicht berührt, welche Politik dort herrscht und welche Partei oder welcher Politiker dort gerade das Sagen hat und gerade deshalb, weil ja FederLesen immer unpolitisch sein will, taugt es besonders für die heutige Geschichte.

Ich gehe davon aus, dass Ihnen, meine geschätzten FederLeserinnen und -Leser, der Name Harold E. Holt genauso wenig sagt wie bis vor Kurzem mir. Dabei war der Mann immerhin australischer Premierminister. Er war schon jahrzehntelang Abgeordneter bis er es endlich 1966 zum Premierminister gebracht hat, doch sonderlich erfolgreich war er darin nicht. Australien war zu der Zeit an der Seite der USA in den Vietnamkrieg verwickelt. Ob er diesen unterstützte, schließlich trug er den Spitznamen »Gunner Holt«, oder ob er aussteigen wollte, ist, wie vieles in seiner Geschichte, unklar.

Was hingegen klar ist, dass er am 17.Dezember 1967 an einem Strand südlich von Melbourne schwimmen ging. Davor kaufte er noch einen Mückenspray, ein paar Erdnüsse und die aktuellen Sonntagszeitungen. Und das war’s. Er schwamm alleine hinaus ins Meer und ist seit diesem Tag spurlos verschwunden.

Na, mehr hat’s für Verschwörungstheorien nicht gebraucht. Selbstmord wird wegen der Erdnüsse und des Mückensprays ausgeschlossen. Aber war er chinesischer Agent? Haben ihn die Chinesen mittels eines U-Bootes vor dem Strand abgeholt und er verbrachte den Rest seines Lebens fröhlich in Peking bei Chop Suey und knuspriger Ente? Oder war es die CIA die ihn entführte, weil er aus dem Vietnamkrieg aussteigen wollte? Zimperlich waren die Amis ja nie.

Und es gibt noch die romantische Theorie über sein Verschwinden, er sei schlicht und einfach mit seiner Geliebten durchgebrannt um irgendwo ein neues Leben fernab premierministeriger und ehelicher Verpflichtungen zu führen. Gefördert wurde diese Variante durch die Tatsache, dass er als »lebenslustig« galt, was meist nur eine Umschreibung dafür ist, dass jemand ein Schürzenjäger und unverbesserlicher Weiberheld ist.

Wie auch immer, Sie brauchen nicht ihn zu suchen. Weder auf irgendwelchen Südseeinseln, wo er ein Robinson Crusoe Leben, noch auf einer einsamen Almhütte, wo er gemeinsam mit seiner Geliebten ein idyllisches Senner- oder Hüttenwirtleben führen könnte. Der Mann war Jahrgang 1908. Selbst wenn er seinen Schwimmausflug überlebt und ihn kein Hai als Sonntagsbraten verschnabuliert haben sollte, können wir davon ausgehen, dass er in unseren Tagen nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Vielleicht sollte heutzutage – gestatten Sie mir das Wunschdenken – doch der eine oder andere Politiker statt testosterongeschwängert mit bloßem Oberkörper auf einem Gaul durch die Gegend zu reiten, schlicht und einfach ein wenig schwimmen gehen – ob mit oder ohne Gelsenspray und Erdnüsse wäre dann auch schon egal.

PS: Kommende Woche erzähle ich Ihnen im 2. Teil die Geschichte eines anderen spurlos verschwundenen mächtigen Mannes. Also: keep on #federlesen !

2022 03 08/Fritz Herzog