FederLesen

Neapel sehen und sterben

Wie schon die Überschrift vermuten lässt, wird es heute ein bissl makaber. Sollten Sie, meine geschätzten FederLeserinnen und -Leser etwas zart besaitet sein, so sollten Sie an dieser Stelle des Textes ein paar Baldriantropfen zwecks Nervenberuhigung zu sich nehmen oder – schlimmstenfalls – zu lesen aufhören.

Die Pandemie mit diesem Eh-schon-Wissen-Virus, die uns schon seit gefühlten Ewigkeiten heimsucht (können Sie sich an die Zeit davor auch nur mehr dunkel erinnern?) sorgt nicht nur für allerlei Unpässlichkeiten in unserem Alltag, sie bringt auch, und das freut wiederum Ihren FederLesen-Autor, allerlei Schrulligkeiten, sonstige menschliche Merkwürdigkeiten und Absurdes zu Tage.

Eines dieser seltsamen Ergüsse, die im Internet und den mehr oder weniger sozialen Medien zuletzt kursierten, war das Gerücht, dass alle geimpften Personen im September versterben werden. Wahrscheinlich denken diese Leute, dass sei ein zwischen dem Silikon Valley, den Bilderbergern und dem Opus Die (je nach Glaubensrichtung einsetz- und erweiterbar) ausgehandeltes Projekt zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums … oder so … was weiß ich?

Ja, und es ist der September 2021 gemeint und nicht irgendein in der Zukunft liegender September. So weit so traurig oder lustig – je nach Betrachtungsweise. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich tatsächlich, was so verschwurbelte Ganglien hervorzubringen in der Lage sind.

Glaubte man diesen Schmonzes, so würde ich heute an deren Stelle – wir schreiben immerhin schon den 21.September – schön langsam nervös werden, weil sich einfach nix Diesbezügliches tut. Gut, es ist noch über eine Woche Zeit, aber alles bis zum Schluss aufzuheben und erst am letzten Drücker zu erledigen ist wirklich kein sehr vorbildliches Verhalten; das lehrt man doch schon den Schulkindern. Und ob sich die Sache auf den Oktober verschieben lässt, ist unklar.

Ihrem FederLesen-Autor könnte das alles herzlich egal sein, er ist geimpft, also ein potentieller Todeskandidat. Und ob mein Ende am 21.September eintritt oder erst am 30. wäre mir ehrlich gesagt auch schon Wurscht. Allerdings als Mensch mit – Achtung: Eigenlob! – hoher Empathie denke ich an dieser Stelle selbstverständlich an den nicht geimpften Teil der Bevölkerung, die dann in den nächsten Tagen eine nicht unerhebliche Menge an Verblichenen zu beerdigen hätten.

Deshalb bliebe zu hoffen, dass sich weltweit unter den nicht Geimpften ausreichend Pompes Funèbres (auf gut wienerisch: «Pompfünäbra«) befinden, die diese unangenehme Tätigkeit halbwegs würdevoll abzuwickeln imstande sind. Nicht auszumalen, sollte das nicht der Fall sein. Ich will jedoch gar nicht mehr weiter ausholen und beende an dieser Stelle den makabren Horrorfilm in Ihrem und meinem Kopfkino.

Um dem heutigen FederLesen Blog abschließend wenigstens einen kleinen intellektuellen Touch zu geben, möchte ich noch den guten alten Goethe im Text unterbringen. In meinem letzten Beitrag habe ich angekündigt, dass ich mich für zwei Wochen nach Italien verabschieden werde; ich habe aber nicht verraten wohin. Nun, unter anderem war ich mit meiner Liebsten auch in Neapel. Über diese Stadt schrieb schon der alte Genussmensch Goethe während seiner Italienreise voll Begeisterung den Satz »Neapel sehen und sterben!«. Sie sehen also, und das wäre die Moral von der heutigen Geschicht‘, ich wäre in Goethes Sinne auf alle moribunden Eventualitäten vorbereitet, seien sie auch noch so verquer.

Und so ich freue mich schon Sie, meine geschätzten FederLeserinnen und -Leser, im Oktober frisch und munter und gesund mit einem neuen Beitrag unterhalten zu dürfen. 2021 09 21/Fritz Herzog

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