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FederLesen

Die Mutter aller Verschwörungstheorien

Sicher habe ich hier auf FederLesen schon einmal erwähnt, dass ich Verschwörungstheorien liebe. Sie haben in den meisten Fällen etwas so Absurdes und Skurriles an sich – genauso, wie es Ihr FederLesen-Autor eben gerne mag. Jetzt gibt es bei Verschwörungstheorien solche und solche und, selbstverständlich solche, die noch solchiger als solchig sind.

Es gab sie vermutlich schon immer; wahrscheinlich haben auch schon unsere Urahnen in ihren Höhlen und Behausungen an Ähnliches geglaubt, wie sonst wären die ganzen Geschichten von Zauberern, Hexen, sonstigerlei Ungeheuern und Mythen entstanden?

So richtig in Schwung gekommen sind sie aber erst mit der Erfindung des Internets in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Einen zusätzlichen Kick bekamen sie dann noch durch die immer extensivere Nutzung der sogenannten sozialen Medien. Seitdem gibt es verschwörungstheoretisch kein Halten mehr.

Deshalb begehen wir heute ein besonderes, wenn auch trauriges Jubiläum: Heute vor fünfundzwanzig Jahren, am 17.Juli 1996 stürzte ein Jumbojet der amerikanischen Fluggesellschaft TWA auf seinem Flug von New York über Paris nach Rom wenige Minuten nach dem Start vom JFK-Airport in den Nordatlantik. Alle 230 Menschen an Bord starben bei diesem Unglück.

Diese Flugzeugkatastrophe mit einer zunächst unklaren Absturzursache und das aufkeimende Internet ergaben einen perfekten Nährboden für die krudesten Theorien, die sich teilweise bis zum heutigen Tag erhalten haben. Die Sache mit einer Bombe an Bord war relativ rasch vom Tisch und wäre jedem aufrechten Verschwörungstheoretiker wahrscheinlich auch zu banal gewesen; mit sowas schlägt sich ein ordentlicher Aluhutträger (gab es die damals schon?) erst gar nicht herum.

Von einer fehlgeleiteten Rakete, sei es amerikanischer, russischer oder sonstiger Provenienz bis hin zu den – no-na – obligaten Außerirdischen reichten die aufgestellten und in Windeseile (beziehungsweise wie schnell halt Anno 1996 das Internet war) verbreiteten Theorien. Was kümmert es, dass die Unglücksursache, ein Kurzschluss in der Nähe eines Kerosintanks, der zur Explosion führte, von einer Untersuchungskommission akribisch aufgeklärt wurde. Sachargumente sind doch das Letzte, was Verschwörungstheoretiker, die sich in ihrem Selbstbild wahrscheinlich mehr als Praktiker denn als Theoretiker sehen, gebrauchen können. Gottbehüte, Sachargumente! Das geht doch für die gar nicht!

So wie alle großen Dinge klein beginnen, so haben die Geschwister Internet und Verschwörungstheorien ganz klein begonnen. Dass der ganze Spaß sich als enorm ausbaufähig erwiesen hat, das wissen wir heute. Und, davon bin ich überzeugt, das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange und mit Sicherheit weiter ausbaufähig. An dieser Stelle zitiere ich gerne Albert Einstein, der meinte das Universum und die menschliche Dummheit seien unendlich, beim Universum sei er sich jedoch nicht ganz sicher.

So gilt dieses Flugzeugunglück an der Küste vor New York mit seinen zweihundertdreißig Toten, das sich heute vor fünfundzwanzig Jahren zugetragen hat, als die Mutter aller Verschwörungstheorien. Eine Mutter mit unzähligen Kindern und Enkelkindern und es steht zu befürchten, dass sie sich weiter endemisch vermehren und uns noch mit allen möglichen Mutationen und Varianten beglücken werden.

2021 07 17/Fritz Herzog