Lügen: Lange Nasen, kurze Beine
Seinerzeit im Religionsunterricht haben wir vom 8. Gebot gelernt, dass man nicht lügen und immer nur die Wahrheit sagen solle. Eine hehre Absicht, zweifellos, doch wer es immer schafft sich daran zu halten, der werfe den ersten Stein – egal ob er oder sie im Glashaus sitzt oder nicht. Auch die Forschung ist sich nicht einig wie oft wir es – so im Durchschnitt betrachtet – mit der Wahrheit nicht ganz genau nehmen. Meinen die einen, dass man damit es schon in einem zehnminütigen Gespräch zwei- bis dreimal nicht so genau nehme, meinen andere wiederum mit zwei bis drei Unwahrheiten käme man einen ganzen Tag aus. Vielleicht ist es auch eine Frage der Interpretation was denn eine Lüge sei? Was dem einen eine Lüge ist dem zweiten schon nur mehr eine Notlüge und dem dritten eh schon die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Der Satz »Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit«, der irrtümlich einem ehemaligen österreichischen Politiker zugeschrieben wird, stammt übrigens in Wirklichkeit vom römischen Dichter Aulus Gellius aus dem 2. Jahrhundert. Also alles nix Neues mit der Lügerei!
Eine der häufigsten Lügen, sowohl bei Frauen als auch bei Männern ist angeblich die Aussage »alles okay, mir geht’s gut«. Wobei ich hier differenzieren möchte, denn dieser Antwort geht doch die oft genug geheuchelte Frage »wie geht es Ihnen?« voraus, wo in einem Gutteil der Fälle davon ausgegangen werden kann, dass es dem oder der Fragenden in Wirklichkeit Blunzenwurscht ist, wie es einem wirklich geht. Ob Heuchelei auch schon unter das 8. Gebot fällt, müsste ich einen Theologen fragen – ich hab‘ keine Ahnung und auch grad keinen bei der Hand.
Als Menschen des 21. Jahrhunderts leben wir im Zeitalter der diversen Kurznachrichten. Ob das Zeug jetzt Messenger, WhatsApp oder weiß der Kuckuck wie heißt, auch dort wird regelmäßig gelogen, dass sich die digitalen Balken nur so biegen. Doch wie erkennt man das? Die Lange-Nasen-Pinocchio-Geschichte oder die mit den kurzen Beinen der Lügen haben sich schon in der analogen Welt nicht bewährt und wie sollten sie es dann in der digitalen?

Dieser Frage haben sich dankenswerter Weise die Forscher der Cornell-University in New York angenommen. Untersucht wurden 1703 ausgewählte Textnachrichten wovon 351 mindestens eine Unwahrheit enthielt (Anmerkung Ihres FederLesen-Autors: Na Bumm, jede fünfte ist gelogen!). Und, wie zu erwarten haben die Forscher da ein paar Besonderheiten entdeckt. Texte die Lügen enthalten sind im Regelfall länger als die wahren. Klingt logisch: Um den heißen Lügenbrei herumzureden bedarf mehr Worte als Wahrheiten zu schreiben.
Signifikant ist wieder einmal der Geschlechterunterschied. Frauen lügen in Textnachrichten mit durchschnittlich 9,18 Worten, benötigen für Wahrheiten hingegen nur 8,02 Worte. Männer wiederum lügen mit 7,21 Worten und schreiben Wahres mit 7,05 Worten. Alles natürlich durchschnittlich. Ich will das jetzt gar nicht weiter interpretieren, es fällt nur auf, dass bei Männern Wahrheit und Lüge knapper beieinander liegen als bei Frauen. Die Interpretation überlasse ich an dieser Stelle gerne meinen geschätzten FederLeserinnen und -Lesern.
Noch etwas fiel den Forschern auf. Auch aus der Verwendung von Pronomen lassen sich Dichtung&Wahrheit ein bissl auseinanderhalten. Wer eher im »Du« oder »Sie« bleibt, dem ist eher zu trauen, als jemand, der häufig »Ich« schreibt. Wie es sich damit verhält, dass die Kommunikationslehre sagt, man solle doch tunlichst nur in »Ich-Botschaften« sprechen, darüber will ich in diesem Zusammenhang jetzt lieber nicht nachdenken.
2023 03 18/Fritz Herzog